HAE-Patienten können von früher Diagnose profitieren

Oft vergeht viel Zeit von der Manifestation erster Symptome bis zur Diagnose Hereditäres Angioödem (HAE). Beim HAE-Typ I und HAE-Typ II dauert dies durchschnittlich 8,5 Jahre, manchmal jedoch deutlich länger.1 In dieser Zeit leiden die Betroffenen unter den wiederkehrenden Symptomen. Es kommt häufig zu Fehldiagnosen verbunden mit Fehlbehandlungen.2,3 Die Krankheitslast ist groß – sowohl während der HAE-Attacken als auch in der symptomfreien Zeit ist die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt. Nicht nur das: Ohne eine adäquate Therapie besteht das Risiko, dass ein Angioödem bei Beteiligung der oberen Atemwege tödlich verläuft.4,5 Deswegen können HAE-Patienten von einer frühen Diagnose deutlich profitieren. Es gibt Therapien, die ein effektives und individuelles Management der Erkrankung ermöglichen. HAE-Patienten können damit wieder ein fast normales Leben führen.

Der Weg vom Verdacht zur Diagnose


Laut internationaler Leitlinien der World Allergy Organization und der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (WAO/EAACI) besteht bei Patienten mit wiederholten Angioödem-Attacken generell der Verdacht auf ein HAE vom Typ I oder II.5 Die weitere Anamnese untermauert diesen Verdacht bei4,6,7,8,9

  • Fehlen von Juckreiz und Quaddeln,
  • rezidivierenden kolikartigen Bauchschmerzen,
  • Ödemen der oberen Atemwege,
  • Erstmanifestation im Kindes- und Jugendalter,
  • positiver Familienanamnese (CAVE: Bei bis zu 25 % der Patienten Keimbahn-Neumutationen!),
  • Prodromalsymptomen vor der Attacke,
  • fehlendem Ansprechen von Antihistaminika, Kortikoiden oder Adrenalin.
     

Zur Bestätigung der Diagnose bei einem Verdacht auf ein HAE sind Laboruntersuchungen notwendig. Damit gelingt auch die Differentialdiagnose gegenüber anderen Formen des Angioödems. Dazu werden im Plasma die Konzentration des C1-Inhibitors (C1-INH) und des Komplementfaktors C4 sowie die C1-INH-Funktion bestimmt. Die Leitlinien empfehlen darüber hinaus, dass Blutsverwandte, in deren Familien ein HAE-Fall festgestellt wurde, so früh wie möglich ebenfalls getestet werden.5

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Differential­diagnosen

Zunächst ist die Abgrenzung Bradykinin-vermittelter Angioödeme von Mastzellmediator-vermittelten Angioödemen für die Diagnostik entscheidend. Wichtigstes Kriterium ist hier das Ansprechen auf Antihistaminika und Kortikosteroide: Während Mastzellmediator-vermittelte Angioödeme auf diese Medikamente ansprechen, zeigen sie bei Bradykinin-vermittelten Angioödemen keine Wirksamkeit.5

Darauf folgt die Differentialdiagnostik der Bradykinin-vermittelten Angioödeme mittels der Laboruntersuchung.

  • Niedrige C1-INH- und C4-Konzentrationen weisen auf einen HAE-Typ I hin.
  • Bei normaler bis erhöhter C1-INH-Konzentration und gleichzeitig erniedrigter C1-INH-Funktion und erniedrigten C4-Werten handelt es sich um einen HAE-Typ II.
  • Bei einem HAE mit normalem C1-INH sind serologische Methoden nicht geeignet. Bei dieser sehr seltenen Form beruhen die Angioödeme auf Mutationen in anderen Genen, u. a. jenen des Faktors XII, Plasminogens, Angiopoietins oder Kininogens. In diesen Fällen ist eine Diagnose durch genetische Tests möglich.10

 

Bei Bradykinin-vermittelten Angioödemen kann es sich auch um ein medikamenteninduziertes Angioödem handeln, das zum Beispiel durch ACE-Hemmer (ACE: Angiotensin-konvertierendes Enzym) oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten ausgelöst wird, ohne dass ein HAE-Gendefekt vorliegt. Ebenso kann ein erworbener C1-INH-Mangel (Acquired Angioedema [AAE]) vorliegen, der durch eine schwere oder chronische Erkrankung mit übermäßigem sekundären Verbrauch des C1-INH hervorgerufen wird. Zudem gibt es idiopathische Angioödeme sowie pseudoallergische Angioödeme, die zum Beispiel durch Medikamente wie nichtsteroidale Antiphlogistika ausgelöst werden.4,11,12,13

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Differentialdiagnose Mastzellmediator und Bradykinin-vermittelter Angioödeme (modifiziert nach Maurer et al. 20185, Bas et al. 200711, Craig et al. 201212 und Jaiganesh et al. 201313)

Bei einem Verdacht auf die seltene Erkrankung HAE helfen Ärzte und Zentren mit HAE-Erfahrung gerne weiter.

Universitätsklinik Ulm

Universitätsklinik Ulm
Klinik für Hals- Nasen- Ohrenheilkunde,
Kopf- und Halschirurgie
Angioödem-Sprechstunde

Prof. Dr. med. Jens Greve
PD Dr. med. Janina Hahn
Dr. med. Robin Lochbaum

Frauensteige 12
89075 Ulm
Baden-Württemberg
Deutschland

E-Mail: jens.greve@uniklinik-ulm.de, E-Mail: janina.hahn@uniklinik-ulm.de, E-Mail: robin.lochbaum@uniklinik-ulm.de

Universitätsklinikum Tübingen

Universitätsklinikum Tübingen
Universitäts-Hautklinik

Dr. med. Dr. med. univ. Sebastian Volc
PD Dr. med. Manfred Kneilling

Liebermeisterstraße 25
72076 Tübingen
Baden-Württemberg
Deutschland

E-Mail: sebastian.volc@med.uni-tuebingen.de, E-Mail: manfred.kneilling@med.uni-tuebingen.de

Helios Kliniken Schwerin

Helios Kliniken Schwerin
Universitärer Campus der MSH Medical School Hamburg
Institutambulanz für Stoffwechsel und Bauchbeschwerden für
Kinder und Erwachsene

Prof. Dr. med. habil. Peter Christian Clemens

Wismarsche Straße 393–397
19055 Schwerin
Mecklenburg Vorpommern
Deutschland

E-Mail: peter.clemens@gmx.com

Universitätsklinikum Münster

Universitätsklinikum Münster
Klinik für Hautkrankheiten

Dr. med. Mathias Sulk

Von-Esmarch-Straße 58
48149 Münster
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

E-Mail: allergologie@ukmuenster.de

Klinikum rechts der Isar der TU München

Klinikum rechts der Isar der TU München
Hals-Nasen-Ohren-Klinik

Dr. med. Amir Bolooki
Dr. med. Susanne Trainotti

Ismaninger Straße 22
81675 München
Bayern
Deutschland

E-Mail: amir.bolooki@mri.tum.de, E-Mail: susanne.trainotti@mri.tum.de, E-Mail: angiooedem.team@mri.tum.de

Universitätsmedizin Mainz

Universitätsmedizin Mainz
Hautklinik und Poliklinik
Urtikaria- und Angioödem-Sprechstunde

Prof. Dr. med. Konrad Bork
Prof. Dr. med. Petra Staubach-Renz

Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
Rheinland Pfalz
Deutschland

E-Mail: angiooedem@unimedizin-mainz.de

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Sprechstunde für das (hereditäre) Angioödem

PD Dr. med. Andreas Recke

Ratzeburger Allee 160, Haus B9
23538 Lübeck
Schleswig Holstein
Deutschland

E-Mail: info.allergologie.luebeck@uksh.de

Universitätsklinikum Leipzig (UKL)

Universitätsklinikum Leipzig (UKL)
Leipziger Interdisziplinäres Centrum für Allergologie
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Dr. med. Susann Forkel

Philipp-Rosenthal-Straße 23
04103 Leipzig
Sachsen
Deutschland

Universitätsklinikum Leipzig (UKL)

Universitätsklinikum Leipzig (UKL)
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin

PD Dr. med. habil. Freerk Prenzel

Liebigstraße 20a, Haus 6
04103 Leipzig
Sachsen
Deutschland

Klinikum St. Georg

Klinikum St. Georg
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin

Dr. med. Maria Faßhauer

Delitzscher Str. 141
04129 Leipzig
Sachsen
Deutschland

Helios Klinikum Krefeld

Helios Klinikum Krefeld
Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Angioödem-Sprechstunde

Dr. med. Nina Dominas

Lutherplatz 40
47805 Krefeld
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

E-Mail: nina.dominas@helios-gesundheit.de

Medizinische Hochschule Hannover

Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Behandlungszentrum für hereditäre Angioödeme

Prof. Dr. med. Bettina Wedi
Katharina Marlies Duda

Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Niedersachsen
Deutschland

Universitätsklinkum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Universitätsklinkum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Allergie-Sprechstunde

Dr. med. Jana Witte

Martinistraße 52
20246 Hamburg
Hamburg
Deutschland

E-Mail: j.witte@uke.de, E-Mail: derma-allergieabteilung@uke.de

Universitätsmedizin Göttingen

Universitätsmedizin Göttingen
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Angioödem- und Urtikaria-Sprechstunde

PD Dr. med. Undine Lippert

Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Niedersachsen
Deutschland

E-Mail: sekretariathautklinik@med.uni-goettingen.de

Hämophilie-Zentrum Rhein Main (HZRM)

Hämophilie-Zentrum Rhein Main (HZRM)
Kompetenzzentrum für HAE

Dr. med. Inmaculada Martinez Saguer

Gartenstrasse 134
60596 Frankfurt am Main
Hessen
Deutschland

E-Mail: info@praxenamhzrm.de

Universitätsklinikum Frankfurt

Universitätsklinikum Frankfurt
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Angioödem-Ambulanz und interdisziplinäres HAEKompetenzzentrum

PD Dr. med. Emel Aygören-Pürsün

Theodor-Stern-Kai 7
60596 Frankfurt am Main
Hessen
Deutschland

E-Mail: aygoeren@em.uni-frankfurt.de

Universitätsklinikum Erlangen

Universitätsklinikum Erlangen
Hautklinik
Sprechstunde für Angioödeme

PD Dr. med. Nicola Wagner

Ulmenweg 18
91054 Erlangen
Bayern
Deutschland

E-Mail: allergieambulanz@uk-erlangen.de

Universitätsklinikum Düsseldorf

Universitätsklinikum Düsseldorf
Universitäts Allergie Zentrum (UAZ)
Interdisziplinäre Sprechstunde für das Hereditäre Angioödem

Dr. med. Antonia Scherer/Dr. med. Anna Smola

Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

E-Mail: hae@med.uni-duesseldorf.de

Universitätsklinikum Dresden

Universitätsklinikum Dresden
Universitäts Allergie Centrum Dresden – UAC
Sprechstunde Urtikaria, Angioödem, Mastozytose

Prof. Dr. med. Andrea Bauer
Dr. med. Susanne Abraham

Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Sachsen
Deutschland

E-Mail: andrea.bauer@uniklinikum-dresden.de, E-Mail: susanne.abraham@uniklinikum-dresden.de

Charité Universitätsmedizin Berlin

Charité Universitätsmedizin
Institut für Allergieforschung
Hochschulambulanz Allergologie
Campus Benjamin Franklin

Prof. Dr. med. Marcus Maurer
Prof. Dr. med. Markus Magerl
PD Dr. med. Thomas Buttgereit

Hindenburgdamm 30, Haus II
12203 Berlin
Berlin
Deutschland

E-Mail: marcus.maurer@charite.de, E-Mail: markus.magerl@charite.de, E-Mail: thomas.buttgereit@charite.de

Fehldiagnosen

Die Verwechslungsgefahr der Schwellungsattacken bei einem HAE ist nicht von der Hand zu weisen: Larynx- und Hautödeme werden häufig als allergische Reaktion fehldiagnostiziert. Die Patienten erhalten unwirksame Behandlungen mit Antihistaminika und Kortison. Bei Magen-Darm-Attacken, die häufig für eine Appendizitis oder ein Magengeschwür gehalten werden, kann es zu nicht indizierten Eingriffen kommen. Aufgrund der unspezifischen Symptome wird das HAE oft erst nach Jahren erkannt.1,3

Unspezifische Symptome verzögern die Diagnose

Ödeme, die spontan auftreten, in unterschiedlicher Ausprägung immer wiederkehren und verschiedene Organe des Körpers, meist die Haut und den Magen-Darm-Trakt, betreffen – das sind unter anderem die klinischen Zeichen des Hereditären Angioödems (HAE). Allerdings sind diese Symptome unspezifisch und ähneln denen anderer Erkrankungen. Fehldiagnosen beim HAE sind häufig, zumal es zu den seltenen Erkrankungen zählt und vielen Ärzten daher die klinische Erfahrung damit fehlt. Das führt dazu, dass die Diagnose HAE oft erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der Erstmanifestation gestellt wird. Das ist kritisch, denn Ödeme im Kopf-Hals-Bereich können lebensgefährlich werden, wenn sie auf die Zunge und den Kehlkopfbereich übergreifen und die Atemwege verschließen. Solange die Diagnose HAE nicht gestellt ist, bedeutet das für die Patienten ein erhöhtes Sterberisiko.1,3,14

Das macht HAE aus

Der Verdacht auf ein HAE liegt nahe, wenn

  • rezidivierende Hautschwellungen ohne Jucken und Quaddeln auftreten,
  • es zu rezidivierenden kolikartigen Bauchschmerzen kommt,
  • sich Ödeme der oberen Atemwege bilden,
  • von einer Erstmanifestation im Kindes- und Jugendalter berichtet wird,
  • es eine positive Familienanamnese gibt (CAVE: Bei bis zu 25 % der
  • Patienten Keimbahn-Neumutationen!),
  • Patienten typische Prodromalsymptome verspüren,
  • Antihistaminika, Kortikosteroide und Adrenalin keine oder eine nur unzureichende Wirkung zeigen.5

Die Diagnose HAE kann anhand von Laboruntersuchungen sowie genetischen Tests gesichert werden.5

Die vierte, im August 2020 völlig neu bearbeitete Auflage des Nachschlagewerks „HEREDITÄRES ANGIOÖDEM Von der Pathophysiologie bis zur Therapie“ trägt den Entwicklungen der letzten Jahre in dieser Indikation Rechnung. Die vollständige Broschüre können Sie hier herunterladen.

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Referenzen

1 Zanichelli A et al. Ann Allergy Asthma Immunol 2016;117:394-398.
2 Hahn J et al. J Dtsch Dermatol Ges 2018;16(12):1443-1449.
3 Zanichelli A. et al. Allergy Asthma Clin Immunol 2013;9:29.
4 Caballero T.et al. Allergy Asthma Proc 2014;35(1):47-53.
5 Maurer M et al. Allergy 2018;73:1575-1596.
6 Zuraw BL. N Eng J Med 2008;359(10):1027-1036.
7 Riedl MA. J Allergy Clin Immunol Pract 2013;1(5):427-432.
8 Gompels M. M. Clin Exp Immunol 2005;139(3):379-394.
9 Mansi M et al. J Intern Med 2015;277(5):585-593.
10 Marcelino-Rodriguez I et al. Front Genet 2019. https://doi.org/10.3389/fgene.2019.00900
11 Bas M et al. Allergy 2007; 62(8):842-56.
12 Craig T et al. World Allergy Organ J 2012;5(12):182-99.
13 Jaiganesh T et al. Eur J Emerg Med 2013;20(1):10-7.
14 Bork K et al. J Allergy Clin Immunol 2012;130: 692-697.
15 Bork K et al. Allergo J Int 2019;28: 16-29.

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Ursachen

In der Pathophysiologie des Hereditären Angioödems (HAE) steht die unzureichende Kontrolle des sogenannten Kallikrein-Kinin-Systems durch den C1-Inhibitor (C1-INH) im Mittelpunkt. Dadurch steigt die Bradykinin-Konzentration in den Blutgefäßen – in der Folge kommt es zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und es bilden sich Angioödeme.

Ursachen

Lebensqualität

HAE-Attacken erschweren den Alltag der Betroffenen erheblich und verursachen Fehltage in Ausbildung und Beruf. Die Krankheit beeinträchtigt die Patienten auch in symptomfreien Phasen, da sich nicht vorhersagen lässt, wann die Attacken auftreten. Dadurch leben die Betroffenen in ständiger Furcht vor der nächsten Attacke.

Lebensqualität
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Symptome

Fast alle Patienten mit einem Hereditären Angioödem (HAE) erleben rezidivierende Schwellungen der Haut sowie kolikartige Schmerzen durch Ödeme im Magen-Darm-Trakt. Über die Hälfte der HAE-Patienten erleidet im Leben mindestens eine Attacke im Kehlkopf / Pharynx- oder Larynxbereich.

Symptome